(English version below)
Was ist das Leben? Ist das Leben mehr Melodie, oder ist das Leben mehr Rhythmus? Überwiegen die wiederkehrenden Elemente, oder die unverwechselbaren? Wiederholen sich immer die gleichen Vorgänge, oder ist jeder Tag ganz einzigartig? Der Hardcore-Stil der Band Venia aus Minneapolis besteht vor allem aus krassen Rhythmen. Darum vermute ich, dass diese Jungs auch ein Auge für die wiederkehrenden Muster des Lebens haben. In jedem Fall haben sie sich Gedanken über das Leben gemacht.
Es gibt ja solchen und solchen Hardcore. Manche Bands klingen eher kalt, andere klingen eher warm. Unter einem warmen Klang verstehe ich bassreiche Gitarren und freundliche Vocals; wo dagegen die Gitarren nur sägenartig kreischen und die Shouts mich feindselig anbrüllen, empfinde ich den Klang als kalt. Und die neue EP von Venia (Blood & Ink 2010) gehört meiner Ansicht nach ganz klar zu der ersten Sorte. Das ist warmer, lebensbejahender Hardcore. Wer nur den Titel der Platte liest, könnte im ersten Moment allerdings etwas anderes vermuten. Denn die Scheibe heißt „I've Lost all Faith in Myself“, und das wirkt ja zunächst nicht gerade fröhlich und lebenslustig. Tatsächlich aber buchstabieren Venia mit ihrer gesamten Musik den einen Satz durch: „Wer sein Leben verliert, wird es finden.“
Venia haben erkannt, dass der Mensch sich die entscheidenden Dinge im Leben nicht selbst erwirken kann. Niemand kann sich selbst trösten. Niemand kann erzwingen, dass andere ihn lieben. Niemand kann den Beginn des eigenen Lebens bestimmen oder das Leben willentlich verlängern. Wo es wirklich ans Eingemachte geht, hören die menschlichen Möglichkeiten auf. In diesem Sinne ist „I've Lost all Faith in Myself“ das Eingeständnis der eigenen Ohnmacht. Menschen sind nicht allmächtig. Und wer das dennoch von sich selbst erwartet, macht sich etwas vor.
Das Wort „Venia“ kommt aus dem Lateinischen, und es bezeichnet in der alten christlichen Frömmigkeit eine bestimmte Art des Gebets, die heute beinahe in Vergessenheit geraten ist. Wo ein Mensch sich mit dem ganzen Körper ausgestreckt betend zu Boden wirft, vollführt er eine Venia. Diese Haltung drückt aus: „Gott, ich gebe mich dir ganz hin.“ Ein solches Gebet dient nicht dazu, den Menschen schlechter zu machen als er ist. Aber darin spiegelt sich ein realistisches Selbstbild, weil kein Mensch sich selbst das Leben geben kann. Gleichzeitig drückt das Gebet das völlige Vertrauen auf Gott aus. Mit ihrem Statement „I've Lost all Faith in Myself“ gestehen sich Venia ehrlich die Grenzen der eigenen Möglichkeiten ein, wenn es um die wirklich essenziellen Dinge des Leben geht. Und sie vertrauen dem ihre Existenz an, der das Leben sicher in seiner Hand hält. Wer sein Leben verliert, wird es finden. Darum spielen Venia lebensbejahenden Hardcore. Hier machen sogar Metal-Riffs Spaß, und das will nun wirklich etwas heißen! Diese Musik versprüht positive Energie, die die Band nicht aus sich selbst heraus bezieht.
Um nochmals zu meiner Frage vom Anfang zurück zu kommen: Was ist das Leben? Die Jungs aus Minneapolis würden sagen: Das Leben ist Venia.
WHAT IS LIFE?
What is life? Is it more of a rhythm or more of a melody? Are the recurring elements prevailing or the unique ones? Do always the same events repeat once and again or is ervery day completely new? The Hardcore style of the band Venia from Minneapolis consists most of all of fierce rhythms. That is why I guess that these guys have an eye for the recurring patterns in life. Certainly they do have reflected on life.
There are these and those kinds of Hardcore. Some bands sound rather cold, others sound rather warm. By a warm sound I understand strong-bassed guitars and friendly vocals; but when guitars scream in a sawtooth-like manner and hostile shouts are yelling at me I perceive the sound as cold. Now, the new EP by Venia (Blood & Ink 2010) definitely belongs to the first kind. This is warm and positive Hardcore. Who only reads the title of the record could suppose something different at the first moment. It is called „I've Lost all Faith in Myself“ - and this does not quite seem very happy and fun-loving. But in fact Venia are with all of their music working through this one sentence: „He who loses his life will find it.“
Venia have understood that a human cannot obtain the most essential things in life for himself. Nobody can comfort himself. Nobody can force others to love him. Nobody can define the beginning of his own life or extend his life deliberately. When the crunch has really come human possibilities reach their limits. In this sense „I've lost all Faith in Myself“ is a commitment of one's own weakness. No man is almighty. And who still expects this just makes a fool of himself.
The word „venia“ stems from Latin language and in ancient Christian pienty it terms a certain kind of prayer which has nearly fallen into oblivion nowadays. When somebody prostrates himself with his whole body down to the ground in prayer he exercises a venia. This posture says: „God, I dedicate myself completely to you.“ A prayer like this is not supposed to make the praying person look worse that he or she is. But it displays a down-to-earth self-perception, because nobody can give life to himself. Besides, this prayer expresses a full reliance on god. With their statement „I've Lost all Faith in Myself“ Venia honestly admit the narrowness of their possibilities when it is about the real essential things in life. And they entrust their existence to the one who really holds the world in his hands. He who loses his life will find it. That is why Venia play positive Hardcore. Even metal-riffs are fun on this record – and that's saying something! This music radiates pure vitality that the band has not got out of itself.
To return to my question from the beginning: What is life? The guys from Minneapolis would probably answer: Life is venia.
Mittwoch, 22. Dezember 2010
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