Donnerstag, 17. Februar 2011

Arschbombe

Ich träume mich in den Sommer. Die Sonne scheint vom klaren Himmel. Eine Arschbombe mit Anlauf vom Steg in den See. Im Gras liegen und den Wind zuhören, wie er in den Bäumen raschelt. Für so einen lässigen Tag am See haben die Gamits mit ihrer aktuellen Platte genau den richtigen Soundtrack parat. Die Scheibe heißt „Parts“ (Paper & Plastick 2010) und beinhaltet 11 poppige Punk-Rock-Stücke, die exakt den richtigen Punkt zwischen chillig und munter treffen, so dass die CD hervorragend auf das Feeling eines freien Sommer-Wochenendes passt.

Doch inhaltlich schlagen die Gamits bei aller musikalischen Leichtigkeit trotzdem auch ernstere Töne an. Mich bringt vor allem das Stück „Love Suicidal“ ins Nachdenken. Dort geht es um einen jungen Mann, der unter ernsthaften Depressionen leidet. Weil er sehr verliebt ist, aber seiner Liebe immer wieder Steine in den Weg gerollt werden, spielt er mit dem Gedanken, seinem Leben ein Ende zu setzen. Auch sein Glaube an Gott und seine Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche können ihm nicht aus dem seelischen Tal heraus helfen, in dem er sich befindet. Im Gegenteil: Gott und die Kirche machen alles nur noch schlimmer. Denn unser Protagonist liebt einen anderen Mann. Die Mitchristen sagen ihm, dass Gott den Menschen nicht für diese Art von Liebe geschaffen habe und dass die Liebe, die der junge Mann empfindet, folglich gar keine echte Liebe sein könne. Und doch weiß er, dass er liebt, und dass er so ist, wie er ist. Dies treibt ihn zur Verzweiflung.
I have nowhere left to turn.
My God and my church have both failed me
like they failed before.
I knelt down beside my bed
and prayed that this torture would end.
I’m not scared anymore.
Und so endet das Lied an seinem depressivsten Punkt, so dass es kaum auszuhalten ist. Wie bitter ist das denn, bitte? - Wie schlimm muss es sein, so behandelt zu werden! Die Erkenntnis, dass der Glaube an Gott nicht alle Probleme löst, drängt sich denen, die die Welt mit offenen Augen beobachten, ja auf. Denn schließlich gehören Schwierigkeiten zum Leben dazu und lassen sich nicht einfach wegwischen, nur weil jemand sich Gott zuwendet. Als Service-Zentrum für die Beseitigung aller erdenklichen Schwierigkeiten lässt Gott sich nicht instrumentalisieren. Gott erspart den Glaubenden nicht jegliches Leiden – aber er steht ihnen auch im Leiden zur Seite.

Es gehört also zur bitteren Realität, dass auch die, die an Gott glauben, schwere Zeiten durchleben müssen. Richtig fatal wird es aber dann, wenn der Glaube an Gott die Probleme nicht nur nicht löst sondern sie überhaupt erst hervorruft. So ist es ja im Song von den Gamits. Aufgrund ihres Glaubens missbilligen die Christen die Liebe des Mannes, der doch einfach nur so sein möchte, wie er ist. Er möchte sich ja an Gott festhalten, doch er kann es nicht, weil er permanent mit dem Gefühl leben muss, abgelehnt zu werden. Früher oder später muss er daran zerbrechen. So ist das Ende des Liedes in all seiner Traurigkeit nur folgerichtig. Ein Gottesglaube, der den Glaubenden zum Verzweifeln bringt, der den Menschen kaputt macht anstatt ihn aufzurichten, mit dem stimmt etwas nicht.

Wieso singen die Gamits diesen erdrückend schweren Inhalt nun auf solch eine leichte Melodie? - Weil es auch anders gehen muss! Der Schwung der Musik repräsentiert die Energie, um für das Leben einzutreten. Um Dinge zum Guten zu verändern. Sich nicht von dem unterkriegen zu lassen, was Menschen depressiv macht. In diesem Sinne bekommt mein Sprung ins kalte Wasser plötzlich eine viel tiefere Bedeutung. Also Anlauf genommen und ab dafür...

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