Samstag, 10. Dezember 2011

Der Blick ins Jenseits

Mit dem Ausdruck „Thousand Yard Stare“ bezeichnen amerikanische Soldaten den leeren und teilnahmslosen Blick eines nach der Schlacht erschöpften Kameraden. Craig's Brother haben diesem Starren einen gleichnamigen Song auf ihrem aktuellen Album („The Insidious Lie“, 2011) gewidmet. Das Lied beschreibt die depressive Weltsicht eines Kämpfers, der aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt ist. Dort heißt es:
Die Verzweiflung fühlt sich an
als ob mir die Luft ausgeht.
Meine Gefühle sind eingefroren
im 1000-Yard-Starren.
Spannend finde ich die Deutung, die das 1000-Yard-Starren in Stanley Kubricks Kultfilm „Full Metal Jacket“ erfährt. Der Protagonist Private Joker unterhält sich in einer Szene mit einem Kameraden darüber, wie es ist, auf Leben und Tod zu kämpfen. Joker hat zu diesem Zeitpunkt im Film noch nie an einem ernsthaften Gefecht teilgenommen. Daher erzählt ihm sein Gesprächspartner vom abwesenden Blick der Soldaten nach dem Kampf. Er beschreibt dabei das 1000-Yard-Starren als den Blick eines Mannes, der dem Tod begegnet ist und dadurch für einen Augenblick ins Jenseits schauen konnte.

Wenn wir das auch könnten – ins Jenseits blicken – was würde sich uns da zeigen? Die pure Leere? Ich weiß es nicht. Aber mich beeindruckt die Begeisterung, mit der der Apostel Paulus einmal auf das Jenseits vorausblickt. Er sagt sinngemäß: „Im Jenseits wird es komplett super!“ Doch diese Überzeugung macht ihn nun nicht zum Religions-Junkie und Weltflüchtling, sondern gerade aus dem Blick ins Jenseits bezieht Paulus seinen Elan für das Diesseits. Der 1000-Yard-Blick stürzt ihn nicht in die Verzweiflung sondern gibt ihm Kraft.

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