Über eine bombige Postkarte bin ich am Wochenende in einem Café gestolpert. Auf der Edgar-Freecard ist ein Werk namens „Jesus and Bombers“ des Hamburger Künstlers Lotron zu sehen. Schön im Mittelpunkt des Bilds befindet sich ein unscharfer Jesus am Kreuz. Links sowie rechts neben ihn sind zwei Kampfbomber gemalt. Und den Hintergrund für diese Szene gibt eine angedeutete Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika ab. Kleine Striche umgeben Jesus und die Bomber, als wären diese auf die Flagge aufgenäht. So verbindet sich alles zu einer festen Einheit miteinander. Jesus, Amerika und der Krieg. Beinahe wird Jesus in diesem Kunstwerk selbst zum Mordinstrument: Wie die Tragflächen eines Kampfjets breitet er seine Arme zum Angriff aus.
Auf diese Weise erinnert mich die Postkarte stark an das Aussehen und den Inhalt des NOFX-Albums „The War on Errorism“ (Fat Wreck 2003). Denn wie Lotron kritisieren auch NOFX die unheilvolle Verbindung von Nationalismus und Christusglauben, die sich nur allzu leicht bis zum Krieg hin steigern kann. Mit ihrer Platte reagieren die Punks aus Los Angeles auf den Afghanistan-Krieg, in dem die gute, christliche US-Armee die eigene Freiheit gegen die bösen islamischen Terroristen verteidigt, die sie vorher mit den Anschlägen vom 11. September brutalst provoziert hatten. Es braucht nicht viel Hirnschmalz, um zu erkennen, dass solches Schubladendenken das Problem wohl kaum erklären kann. Die schwarzweißmalerische Unterscheidung zwischen den Guten und den Bösen ist völlig fehl am Platze. Denn auf beiden Seiten gibt es Menschen, die einfach nur in Frieden ihr Leben führen möchten. Und doch gibt es auf beiden Seiten auch solche, die anderen Gewalt antun, weil sie von irgendeiner ideologischen oder religiösen Weltsicht besessen sind.
NOFX protestieren nun vor allem gegen die US-amerikanische Ausprägung der Schwarzweißmalerei. In dem Lied „Idiots Are Taking Over“ beklagen sie, dass in ihrem Land politische Entscheidungen gefällt werden, die sie nicht nachvollziehbar finden – und dass der christliche Glaube dann auch noch dazu herhalten muss, um diese Entscheidungen zu untermauern. Mit dem Songtext von „American Errorist“ ruft die Band deswegen die Menschheit dazu auf, sich auf ihre Gemeinsamkeiten zu besinnen. Das einzige, was bekämpft werden muss, ist in ihren Augen der Hass. Und solchen Hass unterstellen sie den amerikanischen „Erroisten“, die meinen, gegen den Terror zu kämpfen, dadurch aber selbst andere Menschen terrorisieren. Errorismus ist eine solche fehlgeleitete und blindwütige Form der Gewaltausübung. Denjenigen, den sie für den Ober-Erroristen halten, haben NOFX deswegen auch als Kasper verkleidet und auf ihr Plattencover gedruckt.
Wo Gewalt und Religion sich die Hand zum Tanze reichen, wird es gefährlich. Denn dann entsteht schnell eine Bombenstimmung auf dem Parkett. Mit NOFX und dem Künstler Lotron könnte man daher wohl sagen: Hier liegt der Prüfstein für die Glaubwürdigkeit jeder Religion. Wo der Glaube – egal welcher – dazu benutzt wird, um Menschen zu unterdrücken, da ist nicht Gott am Werk sondern der Errorismus.
Dienstag, 27. Juli 2010
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