Donnerstag, 13. Januar 2011

Getuschel

Wenn Tonträger sich unbeobachtet wähnen, dann fangen sie an, miteinander zu tuscheln. Ohne Scheiß! – Müsst mal drauf achten. Zum Beispiel diese Sampler mit alten Schlagern aus den 70ern und 80ern, die es kistenweise auf dem Flohmarkt gibt. Ich tue dann so, als würde ich mir eine alte Vase oder sowas ansehen, und dabei belausche ich die Platten in der Kiste unter dem Tapeziertisch, wie sie einander etwas von alter Liebe und Romantik vorsäuseln. Oder wenn ich im Elektronik-Markt eilig durch den Gang mit den Top 100 laufe, dann schnappe ich Gesprächsfetzen auf, weil die CDs sich zu heißen Parties in der Nacht verabreden. Bei mir zu Hause im Regal gibt es ja vor allem Punk-Platten. Und Punk-Platten diskutieren. Erst gestern Abend wieder habe ich ein Streitgespräch zwischen einer Platte von Bad Religion und einer Platte von MxPx mitbekommen. Es ging dabei um Gott und um die Frage, ob er die Menschen liebt.

Die Platte von Bad Religion (The Empire Strikes First, Epitaph 2004) hat sich dabei weit aus dem Fenster gelehnt. Mit ihrem Song „God's Love“ haute sie ordentlich auf den Putz. Denn sie ist genervt über das christliche Gelaber von Gott und seiner Liebe. Angesichts dessen, was Menschen einander antun, hält sie es für ausgeschlossen, dass es einen liebenden Gott gibt, der eines Tages für Gerechtigkeit sorgen wird. Und was das ganze noch viel schlimmer macht: Diejenigen, die immer nur von Gottes Liebe träumen, lassen sich dadurch auch noch davon abhalten, ihren Arsch in Gang zu setzen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wenn aber erstens Gott nicht hilft und zweitens auch noch die, die an ihn glauben, in der Untätigkeit versumpfen, dann ist unsere Welt wirklich dem Untergang geweiht. Die Platte von Bad Religion sprach sich dagegen für Aktionen aus. Für den Einsatz zugunsten einer besseren Welt. Ohne Gottes Liebe. Ihr Fazit lautete:
„They call it God's love. -
My pain is God's love.“
Die MxPx-Platte dagegen (On the Cover, Tooth & Nail 1995) betrachtete die Geschichte von der anderen Seite. Sie warf ihren Song „You Found Me“, der ursprünglich von den Altar Boys stammt, in die Waagschale. Diese Platte sprach von Niedergeschlagenheit und vom Vertrauen auf Gottes Liebe, das neue Energie im Menschen freisetzen kann. Gerade durch die Liebe Gottes – so sah es diese Scheibe – können Menschen aktiviert werden. Gerade durch Gottes Liebe bekommen sie die Kraft, um sich tätig für die Welt einzusetzen.
„Come to find out God loves me.
Come to find out I was not alone...
I've put my faith into action.“
So ging der Streit eine ganze Weile hin und her. Ich bin dann irgendwann ins Bett gegangen, weil ich das Gezeter nicht mehr hören wollte, und weil mein Fuß eingeschlafen war, während ich mich hinter dem Sofa versteckt hielt. Jetzt frage ich mich natürlich: Wer wird sich bei der Diskussion wohl durchgesetzt haben? Wer hatte Recht? Ich kann natürlich nur Vermutungen anstellen – aber ich hielte es nicht für ausgeschlossen, dass die beiden Platten sich am Ende doch noch geeinigt haben. Und zwar auf die Formel: Das Eine darf nicht schaden, und das Andere darf nicht fehlen. Das Eine ist Gottes Liebe, und das Andere ist der tätige Einsatz zugunsten der Menschen.

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