Dienstag, 29. Juni 2010

Sauer macht lustig

Wahrlich, ich sage euch: Es gibt gläubige Leute, die werfen so häufig und unkontrolliert mit Bibelzitaten um sich, wie Tourette-Patienten mit Kraftausdrücken. Auch Children 18:3 stehen mitunter in Gefahr, sich mit dieser Form der „Heiligen Verbal-Diarrhoe“ zu infizieren. Die drei Geschwister aus Minessota haben mit „Rain's a Comin'“ soeben ihren zweiten Longplayer auf Tooth & Nail veröffentlicht. Schon der Bandname ist eine kaum getarnte Anspielung auf das Matthäusevangelium, und auf dem neuen Album wimmelt es ebenfalls von biblischen Anklängen. Allerdings kann ich dies der Band kaum zum Vorwurf machen, denn die Platte überzeugt mich sowohl auf den Ohren als auch im Hirn.

Children 18:3 sind Punk. Und doch beschränken sie sich nicht im Geringsten auf das beliebte 3-Akkorde-Geschradder, sondern sie wagen es, komplexe Songs zu schreiben, die trotzdem Spaß machen. Manche der Stücke erinnern vom Klang her zwar bedenklich an Evanescence („Stronger“, „Lost so Long“), aber dafür klingen andere auch wiederum erfrischend nach Weezer („Hey Driftwood“, „Oh Honestly“, „Wonder I“). Beim ersten Hören kam mir manches übertrieben bombastisch vor. Denn schließlich sind die drei Geschwister doch noch gar nicht so alt wie Green Day und müssen daher auch noch keinen Alte-Leute-Punk spielen. Doch je länger die Scheibe lief, umso besser gefiel mir die Musik.

Anspieltipps sind vor allem die beiden Stücke „Hey Driftwood“ und „Oh Honestly“. Während in „Hey Driftwood“ ordentlich die Post abgeht, wird „Oh Honestly“ vor allem von einer akustischen Gitarre begleitet. Der Text handelt von schwierigen Entscheidungen. Überall, wo Probleme auftauchen, die sich nicht so einfach lösen lassen, da ist die Verlockung groß, kurzerhand die Flucht zu ergreifen oder den Kopf in den Sand zu stecken, so wie dieser komische zerzauste Vogel. Dummerweise helfen diese Strategien aber nicht weiter, weil sie nur dafür sorgen, dass das Problem weiter fortbesteht. Manchmal hält das Leben dir gar nicht die Entscheidung zwischen einer guten und einer schlechten Möglichkeit bereit. Sondern manchmal sind alle Möglichkeiten suboptimal. Dann hast Du die Wahl zwischen mehreren sauren Äpfeln. Children 18:3 sagen: Greif zu! Beiß in den sauren Apfel! Dann geht es wenigstens weiter, und das Problem kann gelöst werden. Sauer macht lustig. Zumindest in diesem Fall. Es ist nicht nötig, immer schon alle Konsequenzen absehen zu können und einen ausgefeilten Plan zu haben. Mitunter muss man halt einfach mutig loslegen:
Listen to the wind blow over the brachnes,
listen to the waves crash on the shore.
I don't have the big plan, just small glances,
and every now and then I'm still unsure.
Aber was hat das jetzt mit dem Wind und den Wellen zu tun? Mein Vorschlag wäre dieser: Auch der Wind und die Wellen bewegen sich immer weiter. Kein Windstoß und keine Welle plant dabei ihren Weg. Und dennoch verlaufen sie in perfekter Harmonie, als würden sie von einer unsichtbaren Hand gelenkt. – Mach es wie der Wind und die Welle. Lass dich treiben, wenn du nicht weiter weißt. Es wird gut enden. Hoffentlich.

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